Der Zorn der Zopetscharte - Aufstieg

«Bis nachmittags hält das Wetter!» versprechen die Einheimischen, als ich angesichts der tiefhängenden Wolken etwas skeptisch das Hüttentaxi besteige. Die Fahrerin berichtet sogar, weiter oben sei alles frei und der Venediger stehe vor strahlend blauem Himmel.

Letzter Urlaubstag. Ich wollte partout noch eine stramme Tour gehen, ist es doch meistens so, dass man nach vierzehn Tagen Bergaufenthalt erst die richtige Kondition antrainiert hat. Auch auf steilen Wegen pulst das Blut dann eher gemächlich, und die elende Schnauferei an der Dreitausendmetergrenze ist Vergangenheit.

Das Taxi kutschiert mich gemütlich zur Johannishütte. Tatsächlich reißt die trübe Suppe in der Nähe des Gumpbachkreuzes auf und Augenblicke später blitzt mir der Großvenediger eisig entgegen.

Endlich einmal wieder über die Zopetscharte! Das letzte Mal bin ich vor sieben Jahren diesen Weg gegangen, damals in sengender Hitze. Heute ist das Wetter eher für stramme Touren geeignet und ich hoffe, im Lauf des Tages den Rückweg über Sajathütte und Sajatscharte bewältigen zu können.

Aufstieg

Wie immer drücken die ersten steilen Meter unangenehm in meinen Knochen. Ich habe immer meine Schwierigkeiten während der ersten Stunde, dann aber kann ich problemlos den ganzen Tag marschieren.

Der Weg ist feucht und schlüpfrig, da heißt es aufpassen, denn mehr als einmal versinken die Bergstiefel bis zum Knöchel im Morast – gelegentlich mag es auch eines der zahlreich umherliegenden viehischen Naturprodukte sein.

Etwas oberhalb der Johannishütte ist eine Felsnase zu überwinden. Der Weg ist ausgetreten und schlecht, die Feuchtigkeit tut ihr übriges dazu, dass diese Passage zur Zeit als höchst gefährlich zu gelten hat. Bedächtig presse ich die Enden der Teleskopstöcke in den bratschigen Untergrund um auf jeden Fall gut abgestützt zu sein und drücke mich vorsichtig nach oben. Diesen Weg möchte ich bei diesen Verhältnissen nicht unbedingt in der Gegenrichtung gehen!

Nach diesem Hindernis geht es nun eher gemächlich weiter. Die mäßige Steigung erlaubt ein gleichmäßiges Gehen und führt dennoch dazu, dass fast unmerklich die vielen Höhenmeter überwunden werden.

Der Weg verzweigt sich. Rechts führt der Sajathöhenweg über die Scharte zur Sajathütte. Ich hoffe, an diesem Tag noch aus der Gegenrichtung zurückzukommen. Langsamen Schrittes steige ich weiter zur Zopetscharte. Die Almwiesen treten zurück, es wird felsiger und auch anstrengender. Bald zeigt sich die Zopetscharte im Blickfeld, zum Greifen nah, aber dennoch eine gute Dreiviertelstunde entfernt.

Vom blauen Himmel ist nun nichts mehr übrig geblieben, der Himmel zeigt sich in hellem, aber keineswegs unfreundlichen oder bedrohlichen Grau. Ich schaue zurück ins Dorfertal und über die Bergkette, die vor dem Maurertal steht: alles noch im grünen Bereich.

Elf Uhr: ich stehe auf der Zopetscharte. Im Timmeltal steht die Eisseehütte in einem zarten Sonnenloch, auch der Eissee blitzt halbwegs freundlich herüber. Nachdem ich das durchschwitzte T-Shirt gegen ein frisches ausgetauscht und die Windjacke übergezogen habe, krame ich die Fotoausrüstung aus dem Rucksack, um ein paar Stativaufnahmen zu machen. Da gerät mir das Handy in die Finger. Ich habe wegen der unsicheren Wetterlage versprochen, meine Frau von unterwegs anzurufen.


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