Von drüben schaut nun eine Gruppe zu mir herüber. Sie winken, und ich frage mich, wie mein Gekrabbele wohl ausgesehen hat. Einer löst sich aus der Gruppe und kommt mir in Richtung der Südkerbung entgegen.
Der weitere Abstieg fällt mir leicht. Zwar geht es noch immer recht luftig oberhalb des Timmeltals durch den Fels, aber es ist alles gut gestuft und ich bleibe nun konsequent auf der «richtigen» Seite des Seils. Ich tue aber gut daran, weiter mit höchster Vorsicht abzusteigen, denn tatsächlich stoße ich mehrfach auf lockeren und wackligen Untergrund.
Eine Dreiviertelstunde nach meinem Aufbruch vom Gipfel habe ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen und treffe den Mann aus der Gruppe.
«Haariger Weg, oder?» fragt er, aber ich habe für ihn nur ein kurzes «kann man so sagen» übrig, ich bin etwas ausgepumpt und stapfe langsamen Schrittes über die kleine Anhöhe zur Nordkerbung der Zopetscharte. Ich brauche jetzt erst einmal eine Pause.
Ich möchte eigentlich meine Ruhe haben, aber die Gruppe auf der Zopetscharte verwickelt mich in ein Gespräch. Eine Frau wedelt mit einer Wanderkarte vor meiner Nase und fragt, ob es hier eine Abkürzung gibt, die nicht auf der Karte eingezeichnet ist.
Die Gruppe kommt von der Bonn-Matreier Hütte und will auf der Sajathütte übernachten. Und dahin sei es ja über die Sajatscharte noch so weit. Außerdem müsse man ja erst einmal von der Zopetscharte absteigen und dann wieder zur Sajatscharte hoch, das sei doch überflüssig.
Ich versuche der Gruppe klar zu machen, dass die so genannte Abkürzung keine ist. Der Mann mit dem «haarigen Weg» hat sich nun auch wieder eingefunden, und ihn kann ich davon überzeugen, von der Überschreitung Abstand zu nehmen.
Ich merke, dass es die Gruppe juckt, über die Gipfel zu gehen, aber ihr schweres Gepäck und mein Hinweis, dass sie auf keinen Fall Zeit sparen würden sind schlagende Argumente. Ich verstärke mein Abraten noch durch ein paar schaurige Schilderungen von Kletterstellen – «Ihr habt mich ja da oben am Felsen beobachten können!» – und erzähle auch von der senkrechten Felswand zum Sajatkar hinab. Die Gruppe ist unschlüssig, aber schließlich nimmt einer das Heft in die Hand, schultert seinen überschweren Rucksack und stapft langsam in Richtung Dorfertal hinab.
Endlich Ruhe! Ich setze mich und mache eine Viertelstunde Pause. Wieder kämpfe ich mit der Versuchung, einfach zur Johannishütte abzusteigen und mit dem Hüttentaxi ins Tal zu fahren. Ach was! Das Wetter ist schön, der Nachmittag noch lang! Ich steige ins Timmeltal hinab, genieße später ein wohlverdientes Weißbier auf der Bodenalm und spaziere dann gemütlich über den Wiesachweg nach Bichl zurück.