Eine Stampede im Großbachtal (2) - nur Anfängerpech?

«Blöde Viecher!» lachte ich. Wir gingen weiter und ahnten, dass wir uns jetzt mühsam durch die ignorant herumstehenden Tiere durchschlängeln mussten.

Gabi blieb stehen. «Die schauen heute aber nicht lieb!» Es sollte scherzhaft klingen, aber ein Blick auf die direkt hinter dem Mäuerchen stehenden Tiere ließ mich auch stutzen. Ganz vorne stand ein stattliches Exemplar und – ungelogen – das Vieh sah mir auf zwanzig Meter direkt in die Augen. Hörte ich da ein Schnauben? Quatsch! Seit wann habe ich denn vor Kühen Respekt? Ich ging ganz normal weiter. Inzwischen starrten mich zwei Paar Augen an – und Gabi zog hinten am Rucksack.

«Du, ich glaube, das sind keine Kühe!»

Ich blieb erneut stehen und schaute etwas genauer auf die Herumstehenden. Leider versperrte der niedrige Steinwall den Blick auf sichere anatomische Unterscheidungsmerkmale, aber als ich mich noch ein paar Meter weiter getraut hatte, konnte ich besser schauen und war mir sicher.

«Oh ja, das sind Stiere oder Bullen – oder wie sagt man?»

«Auf alle Fälle sind’s keine weiblichen Exemplare», bestätigte Gabi. «Und aggressiv sehen sie auch aus!»

Der am weitesten vorne stehende gab diesem Vorurteil recht. Richtig: jetzt schnaubte er deutlich hörbar und Gabi meinte auch noch, ihn mit dem Vorderfuß scharren zu sehen.

Nach dem ersten Schreck fanden wir das ganz lustig und spekulierten ein wenig über den Grund der vermeintlichen Aggression. Vielleicht mochten sie meinen pinkfarbenen Rucksack nicht? Oder konnten die Tiere vielleicht Angst und Unsicherheit spüren? Die würden sich schon wieder beruhigen.

Während wir noch zögernd wenige Meter vor dem Mäuerchen standen, passierte uns von hinten ein Wanderer. Er grüßte ortsüblich, stieg über das Hindernis und schlängelte sich problemlos durch das Dutzend Tiere. Sie würdigten ihn nicht eines einziges Blickes!

Wir wollten die Gunst des Augenblickes nutzen und näherten uns nun schnell dem Steinwall.

Wie auf ein geheimes Kommando hin standen plötzlich wieder drei Bullen im Weg und starrten uns an. War da wieder ein Schnauben?

«Die mögen uns nicht!» stellte Gabi fest und ich war versucht, ihr Recht zu geben.

In der nächsten halben Stunde versuchten wir einiges, um die dreisten Viecher abzulenken. Erst zogen wir uns zwanzig Meter zurück. Ohne Erfolg. Dann weitere zwanzig. Ohne Erfolg. Erst nachdem wir uns hinter den nächsten Weidezaun zurückgezogen hatten, strebte die Herde gemütlich auseinander. Wir warteten zehn Minuten und näherten uns dann betont locker dem Steinmäuerchen.

Es sollte nicht sein! Wir befanden uns noch keine zehn Meter vor dem Wall, als die Bullenschar wieder versammelt war. Hier war kein Durchkommen!

Gabi und ich schauten uns an und – drehten um!

Leicht verärgert saßen wir nach dem anstrengenden Abstieg ins Umbaltal beim Johannes auf der Islitzer Alm und diskutierten langatmig dieses merkwürdige Erlebnis. Nein, dem Johannes konnten wir das nicht beichten, aber im Gästehaus mussten wir später natürlich von unserer Tagestour erzählen. Wir waren ja nun relativ früh zurück – und das fiel auf. Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass unsere Begegnung mit den heimischen «Wildtieren» große Erheiterung auslöste. «Jaja, die Jungbullen, die hat’s da oben oft. Die san halt bisserl übermütig!»

Wir ließen uns gern darüber belehren, dass die jungen Rowdies des Großbachtals «an sich» harmlos seien, aber ich muss gestehen, dass ich in darauffolgenden Jahren auf dem Weg zur Neuen Reichenberger Hütte stets die Hänge im Auge hatte.

Und den pinkfarbenen Rucksack habe ich nie wieder getragen…


Stampede Teil 1…