Echt Schaf - die zweite - Oder: Die Liebe höret nimmer auf - Teil 2

Von Thomas Scheinkönig (2002)

Schafe!!!

Meine Spannung wuchs. Würde meine Aura noch wirken? Ich könnte in Pfadfindermanier jetzt eine gute Tat vollbringen und gleichzeitig testen ob der «Dhomas» noch der wahre Schafbändiger ist. Auf jeden Fall hielt ich meine Wanderstöcke noch fester als vorher. «Man weiß ja nicht, ob erneut ein Hammel in der Herde ist, dem ein Wanderstockfetischismus inne wohnt…»

Ich kam näher und ging seitlich an der salzhungrigen Horde vorbei, dabei in das Hilfe suchende Gesicht der Wanderin blickend. Neben schwarzen und weißen Schafen gab es nun auch gescheckte im Tal. Tage später wurde mir berichtet, dass es dort jetzt zwei Rassen gibt. Wobei der Widder der kleineren, dunklen Rasse wohl der potentere Kerl sein soll und zum Leidwesen des größeren, weißwollenen Widders dessen Weiber beglückt. So stellte sich mir ein multikulturelles Bergschafvolk dar. Diese farbige Schafmischung erblickte mich nun und – entschloss sich, von der Dame abzulassen. In atemberaubender Geschwindigkeit löste sich das Schafknäuel um die ältere Dame auf, deren Lächeln nun auf das Gesicht zurückfand, und die Gesellen im Afrolook wandten sich mir, dem wahren Schafbändiger zu. Der Beweis meiner Wirkung auf Schafe war erbracht.

Nun durfte ich mich mit dem Schupsen und Knabbern dieser «lieben» Tierchen vergnügen. Dank meiner Erfahrung konnte ich die Herde auf Distanz halten und meinen Weg zum Kees fortsetzen. Ein Stück begleitete mich dabei die vielbeinige Gesellschaft. Die alte Dame hatte wortlos den Rückweg eingeschlagen.
Kurz vor dem ersten Gletscherschliff des Umbalkees, beschlossen die Schafe fürs Erste von mir abzulassen. Ein jedes verfiel nun der ganz persönlichen Eigengrasanteilkonsumation.

Nach kleiner Kletterei und dem darauf folgenden Genuss des Gletscheranblicks konnte ich eine schaffreie Jause zu mir nehmen. Kein Schafschädel versuchte an meine Vorratsdose im Rucksack zu kommen. Ja ich konnte sogar meine Stöcke unbeaufsichtigt lassen. Ich sog den Duft der großen, weiten Marlborofreiheit auf. Oder so ähnlich! Bin ja Nichtraucher!

Dann folgte der Abstieg vom Gletscherschliff. Ja und was soll ich sagen? Die Schafe sahen ihren «Meister» vom Berge herabkommen und trabten erneut freudig blökend und bimmelnd in meine Richtung, um mich nicht nur in ihrem Herzen, sondern auch in ihrer Mitte einzuschließen.

Stetig auf intensivsten Kontakt bedacht, wanderten die Schafe samt ihres mitgeführten Geräuschpegels nun mit mir auf dem Talgrund bergab. Dabei hatte ich den potenten, schwärzlich behörnten Widderkopf des Haremswächters beständig eine handbreit hinter meinem Gesäß einher laufen. Warum eigentlich hinter meinem Gesäß? Sein Atem war deutlich zu spüren. Immer wenn ich mich stöckefuchtelnd umdrehte, blieb er mit seinen Weibern stehen und blickte mich unfreundlich an. «Nun, er hat halt noch keinen Benimmkurs beim Tourismusverband des Nationalparks besucht.»

So schritt ich – umringt von Schafen – gleich Moses und seinem Volk durch das Gebirge. Etwa vierzig Minuten. Kurz vor der bereits erwähnten Stahl­brücke kam ein Wanderer bergan. Er konnte seine innere Freude über den ihm sich bietenden Anblick nicht verbergen. Ich fragte ihn, ob er denn nicht die Schafe zurück zu den Weidegründen am Ende des Tales mitnehmen wolle. Er sagte dies zu, machte es aber von der freiwilligen Entscheidung der Schaf­hirne abhängig. Und was soll ich sagen. Die Schafe entschieden sich für mich und ließen den Wanderer ungehindert gehen. «Wie schön für ihn!!!»

Bevor er seinen Weg fortsetzte bot der fremde Wanderer mir an, mich mit den Schafen zu foto­grafieren. Ich sagte spontan zu und überreichte meinen Fotoapparat. Denn es ergab sich ja damit die Gelegenheit, Beweise für meine Anziehungskraft auf Schafe zu sichern. Erzählen kann man ja viel! Der freundliche Wanderer ging unbehelligt seiner Wege und ich nahm die Schafe bis zu der besagten Stahlbrücke mit.

Ich überschritt die Brücke und blickte rückwärts um zu sehen wo denn «mein Team» bliebe. Obwohl es sicher kein Problem sein dürfte, überschritten die wollenen Milchbars den Übergang zur anderen Talseite nicht. Mir jedoch zeigte sich ein Bild, dass mein Herz zum Erweichen brachte.

Wer je gesehen hat, wenn im Hamburger Hafen eine Fregatte mit voller Besatzung ablegt, kann dies nachempfinden. Die Matrosen stehen auf verschiedenen Schiffsetagen und blicken in würdiger Haltung zum Landungssteg um sich zu ver­ab­schie­den. Die dort befindlichen Frauen weinen um ihre Jungs. Die Schafe hier, standen auf den Felsetagen über der Brücke und blickten mir in würdiger Haltung nach. Ich setzte, ergriffen von soviel Herzlichkeit, meinen Weg fort und ließ mein Team zurück. «Man muss auch loslassen können.» Der schwarzwollene Potenzwidder schien mir jedoch erleichtert.

Ausklang…

Am späten Nachmittag kehrte ich heim ins Gästehaus Conny.

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass man im Gästehaus sofort ganz unschuldig nachfragte, ob ich denn Schafe gesehen hätte. Ich konnte meine neue Story an die Frau und den Mann bringen und die schlagzeilenhungrige Hausmeute mit einem neuen Erlebnis beglücken. Tage später wurde dann noch das fotografische Beweismaterial nachgeliefert. Mein Ruhm wird sich weiter mehren.

Der Beweis ist geliefert. Ich bin der wahre Schafbändiger. Was immer die Schafe auch an mir finden. Leider drücken sie sich auf Nachfragen hin immer sehr undeutlich aus. Hier muss die Wissenschaft noch arbeiten.

Doch man sieht: «.. ihre Liebe höret nimmer auf.»

Ich freue mich schon auf den nächsten Hinterbichlurlaub. Denn in Hibi blüht das Leben !


Teil 1: Schafe???