Mitten in der Nacht von der Bodenalm ins Tal hinab zu rodeln, erfordert offensichtlich mehr als nur Trinkfestigkeit…
Erneut braucht es zwei starke Männer, um den Verunglückten in den Stand zu bringen. Der ältere Herr bringt wieder etwas zu seiner Entschuldigung hervor, aber es ist unverständlich – und so langsam dämmert es allen, dass der Gute dem Alkohol ein wenig zu engagiert zugesprochen hat. «Den habe ich heute Nachmittag schon vor dem Bier sitzen sehen», erinnerte sich die Gastgeberin, «ich glaube, der ist jetzt fertig!» Kopfschüttelnd setzt man ihn wieder auf den Schlitten, aber – rums – schon wenige Meter weiter fährt der Herr in einer Kurve geradeaus und versinkt fast spurlos im tiefen Schnee.
«Den können wir nicht allein fahren lassen, da kommen wir nie unten an!». Der ältere Herr wird mit etwas Mühe hinter die Gastgeberin auf den Schlitten platziert, sein Rodel irgendwo anders hinten angebunden.
Rums – die Gastgeberin bremst wie wild vor der nächsten Kurve, während der ältere Herr auf seinem Rücken auf dem glatten Untergrund weiterrutscht und erst von der nächsten Schneewehe gestoppt wird. «Du muschd dich halt festhalten!» schimpfen alle und versuchen den inzwischen ziemlich vereisten Herrn wieder auf den Schlitten zu bringen. Seine Beine müssen auf die Kufen gestellt werden und irgendwie soll er auch seine Arme um seine Schlittenfahrerin schlingen.
Rums – dieses Mal sind sie noch gar nicht losgefahren, als der Herr bereits nach hinten vom Schlitten gefallen ist. «Ich nagle ihn gleich fest!» schimpft der Gastgeber missmutig, und auch die anderen sind langsam sehr genervt, denn statt in einer zünftigen Rodelpartie rutschen sie jetzt sozusagen im Bergrettungseinsatz ins Tal. Allmählich frieren sie auch, denn sie stehen ja mehr, als dass sie in Bewegung sind. Wieder gelingt es, den älteren Herrn kunstgerecht auf den Schlitten zu heben und nach einer eindringlichen Ermahnung, sich endlich festzuhalten, geht es allmählich voran.
Rums – rums – rums: bei jedem kleinen Holperer und natürlich bei jeder scharfen Kurve gibt der Schlitten den älteren Herrn frei. Die beiden Männer, die freiwillig eine doppelte Nachhut bilden, gehen inzwischen mit einer stoischen Routine ihrer Rettungsarbeit nach. «Fahrt zu!» rufen sie den anderen zu, damit die wenigstens ihren Spaß haben. Die lassen sich das natürlich nicht zweimal sagen und sausen nun endlich ungestört die kilometerlange Abfahrt bis nach Prägraten hinein entlang. Noch immer landen die Kinder in fast jeder Kurve lachend und kreischend im Schnee, aber die Gruppe ist insgesamt so schnell, dass sie unten sehr lange warten müssen, bis die Nachzügler endlich auftauchen.
Der ältere Herr ist jetzt hellwach und beginnt von der schönen Schlittenfahrt zu schwärmen, während Gastgeberin und Gastgeber die Augen verdrehen. Schnell ist die frierende Gruppe im warmen Bus verstaut, der alle schnell wieder in die Pension bringt, wo zum Tagesabschluss ein heißer Glühwein die Kälte vertreiben soll. Der ältere Herr allerdings will sich zur Ruhe begeben und geht nach oben auf sein Zimmer. Und mitten in das begeisterte Geplapper der Rodelgruppe dröhnt von oben ein dumpfes «Rums».
«Jetzt ist er auch noch aus dem Bett gefallen!» lacht einer. «Er hat niemanden mehr zum Festhalten!»
Die Gastgeberin schlägt kurz die Hände vor das Gesicht und sagt: «Ich mach da jetzt nicht mehr mit! Was meint ihr, wo der sich überall festgehalten hat! Aber diese blauen Flecken, darf ich euch nicht zeigen…»