Über die Galteckscharte - ein fast vergessener Steig

Will eigentlich auf den Bergerkogel – endlich! Der Weg fällt mir morgens etwas schwer, und die erste Stunde ist heute noch heftiger als sonst. Aber kaum bin ich einigermaßen in Fahrt, fängt es zu regnen an. Zuerst nieselt es, dann aber wird der Regen doch so stark, dass ich – bis auf die Regenhose die volle Ausrüstung brauche.

Ich bin sauer! Fast neige ich dazu, abzubrechen, denn den Weg zur Bergerseehütte liebe ich nicht besonders – und bei Regen schon überhaupt nicht! Glücklicherweise habe ich zum geplanten Aufstieg den Weg über die Bergerseehütte gewählt, eigentlich wollte ich übers Wetterkreuz gehen.

Als ich aus dem Wald heraustrete, wird der Regen zu Graupel und Schnee. Und jetzt pfeift auch noch ein bissiger Wind! Ziemlich griesgrämig und durchfroren erreiche ich die Hütte, die gut geheizt ist. Was nun? Der Bergerkogel ist zwar wolkenfrei, der schneidige Wind nimmt mir aber jede Lust. Auch sieht es ringsum nicht so aus, als würde man viel sehen.

Eine lärmende Wandergruppe, die umständlich Plätze sucht und belegt und permanent die Bedienung aufhält, treibt mich aus der Hütte.

Draußen scheint die Sonne und man kann es in der Windjacke einigermaßen aushalten. Ich bin immer noch ratlos, da mich bei diesem Wetter auch der Muhsweg nicht lockt. Schon zu oft gegangen – es sollte schon besseres Wetter haben! Da ich aber auch nicht einfach wieder absteigen möchte, strebe ich etwas widerwillig dem Muhsweg zu und motiviere mich mit der Aussicht, das Muhsköpfl «mitzunehmen».

Kurz nach der Bergerseehütte geht links ein Weg ab: «Lasnitzenalm über Muhsköpfl – 2 Std.» Prima, den nehme ich doch! Es geht relativ zügig auf einem kaum noch sichtbaren Trampler in die Höhe. Unten bleiben Wanderer stehen und schauen mir etwas skeptisch nach. Aber es folgt mir niemand und so bin ich sehr einsam auf diesem offensichtlich kaum noch begangenen Weg. Noch einmal habe ich von hoch oben einen fantastischen Blick auf den grünen Bergersee, dann geht es in eine wilde, blockdurchsetzte Karmulde.

Neben einem Felsblock liegt ein kleiner Wegweiser ohne Aufschrift, der irgendwie nach rechts zeigt. Ich bücke mich, aber auch die schärfste Inspektion lässt nichts mehr von seiner ursprünglichen Bedeutung erahnen. Ich bin misstrauisch, denn nach meinem Dafürhalten müsste es eher geradeaus weiter gehen. Ein Blick auf das GPS-Gerät und die Karte bestätigen dies. Das Blockfeld gibt aber zunächst keine weiteren Anhaltspunkte. Zuvor waren noch Trittspuren zu sehen, zwischen den Felsen sieht es damit aber schlecht aus.

Endlich entdecke ich Stockabdrücke und während ich noch überlege, dass die ja auch von einem Schafhirten stammen könnten, sticht mir eine verblasste rote Markierung auf einem Stein in die Augen. Es geht also tatsächlich in die Richtung, die ich vermutet habe. Nach wenigen Minuten ist der Weg eindeutig, auch wenn sich die alten Wegmarkierungen rar machen. Etwa 100 m oberhalb ist eine Scharte auszumachen: nur hier kann es entlang gehen – Markierungen brauche ich nun nicht mehr.

Knapp 20 Minuten später stehe ich oben. Eine wilde Aussicht entschädigt mich für die Strapazen und den eiskalten Wind, der aus dem nördlichen Dorfertal herüber pfeift. Tief unten liegt das scharf eingeschnittene Lasnitzental und vom Muhsweg herauf schauen mich Wanderer wohl etwas erstaunt an.

Obwohl es saukalt ist, raste ich kurz, nehme einen kräftigen Schluck aus der Trinkflasche und mühe mich mit klammen Fingern mit der Videokamera ab. Dann heißt es wieder, den Weg zu suchen, denn ein nicht zu übersehender Wegweiser zeigt über den etwa nach Norden hin ziehenden Kamm. «Muhsköpfl – Lasnitzenalm» meint er, aber ich bin mit der Richtung ganz und gar nicht einverstanden. Ich möchte angesichts der merkwürdigen Wetterlage absteigen und nun doch nicht noch einen «Umweg» nehmen.

Aber der Direktabstieg ist nicht ausgeschildert. Nach Süden steigt ein schroffer Felsrücken direkt zum Lasörling auf, eine deutlich lesbare rote Aufschrift weist den Weg. Ins Tal hinunter scheinen ein paar Trittspuren zu führen, aber ganz sicher bin ich nicht. Offensichtlich ist hier vor einiger Zeit ein bisschen etwas abgerutscht: die Stelle direkt unter der Scharte sieht etwas unangenehm aus. Aber es muss einen Abstieg geben, auch wenn er vielleicht nicht mehr besonders gut zu gehen ist. Da mir der ausgewiesene Weg über das Muhsköpfl immer noch bleibt, taste ich mich erst einmal vorsichtig in die Tiefe. Die abgerutschte Stelle erweist sich als heikel. Sicherheitshalber drücke ich die lang ausgezogenen Teleskopstöcke sorgfältig in den Boden. Auf dem haselnussgroßen Schutt rutscht es sich sehr gut, und wenn es auch nicht extrem steil nach unten geht: ein Ausgleiten wäre hier sehr, sehr unangenehm: der relativ glatte Abhang erwiese sich als ziemlich haltlos.

Fünf Minuten später wird es angenehmer, und jetzt sind auch verstreut rote Markierungen zu sehen. Ich hatte also den richtigen Riecher! Der Weg erschließt sich jetzt auch immer stärker durch die Trittspur, die deutlich zu sehen ist, wenn man sich etwas Mühe gibt. Ganz kurz kommen noch einmal Zweifel auf, denn der Weg strebt nicht so engagiert in die Tiefe, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich vermeine sogar, ihn noch einmal ansteigen zu sehen und mache mich schon mit dem Gedanken vertraut, wild abzusteigen, aber kurze Zeit später geht es dann in wenigen steilen Serpentinen auf den Muhsweg herunter. Ich merke mir die Stelle und registriere sie im GPS-Gerät, da ich schon mehrfach versucht hatte, diesen Wegabzweig aus dem Lasnitzental heraus zu entdecken. Ein Blick zum Hang hoch zeigt, dass der Weg praktisch nicht zu sehen ist und auch die Abzweigung tarnt sich geschickt in einem hellen Felswirrwar. Zwar gibt es hier einen verwitterten roten Strich, aber wahrscheinlich bringt jeder Wanderer diesen mit dem Muhsweg in Verbindung. Fast nichts deutet darauf hin, dass hier eine reizvolle Variante zum Muhs-Panoramaweg beginnt.